Delicious Data – Lebensmittel retten mit KI

Dass sich Impact und Gewinn nicht ausschließen, zeigen die Social Entrepreneure Valentin Belser und Jakob Breuninger mit ihrem Start-up Delicious Data. Das Unternehmen ist Vorreiter im Bereich der intelligenten Planungsoptimierung für Unternehmen im Lebensmittelsektor. Mithilfe der KI von Delicious Data können Kunden vermeidbare Lebensmittelverluste reduzieren und die operative Effizienz steigern. Bis Juli 2022 konnten bereits rund 820.000 Essen gerettet werden, was einer Einsparung von mehr als 1.000 Tonnen CO₂-Äquivalenten entspricht. Wir haben mit Valentin darüber gesprochen, was ihn antreibt, was Impact für ihn bedeutet und was die wichtigsten Learnings aus seiner bisherigen unternehmerischen Reise sind.

Valentin, erzähl uns doch kurz, wie die Idee zu Delicious Data entstand.

Das war noch zu Studentenzeiten. Ich habe mittags immer in der Mensa gegessen und dabei ist mir aufgefallen, dass kurz vor Schluss meist noch jede Menge Essen übrig war. Ich habe mich gefragt, was mit den Resten passiert und mit Erschrecken feststellen müssen, dass aus hygienischen Gründen alles entsorgt werden muss. Eine unfassbare Lebensmittelverschwendung. Das hat mich nicht mehr losgelassen und ich habe begonnen mich mit dem Thema zu beschäftigen. Die Planung der benötigten Lebensmittelmengen in Kantinen, Mensen und ähnlichen Einrichtungen ist sehr komplex, da eine Fülle an externen Faktoren hineinspielt. Daher gab es auch noch keine Lösung.

Wie ging es dann weiter? Wie war der Weg von der Idee zur Gründung?

Parallel zu meiner Masterarbeit in Luft- und Raumtechnik haben mein Mitgründer Jakob und ich begonnen, an Delicious Data zu arbeiten. Ich habe viele Gespräche mit potenziellen Kunden geführt und dabei schnell festgestellt, dass ein riesiger Bedarf im Markt besteht. Das Interesse an einer Lösung war groß, so dass wir schnell erste Pilotkunden gewinnen und die Software gemeinsam mit ihnen testen konnten. Damals (2017) ging es den meisten Kunden eher darum, Kosten einzusparen. Mittlerweile stehen natürlich auch mehr die Aspekte im Vordergrund, die uns auch antreiben, nämlich Lebensmittelverschwendung einzudämmen und CO2 einzusparen. Jakob hat mit seinem Machine Learning Know-how parallel den ersten Prototypen entwickelt, so dass wir die Lösung schnell mit Kunden testen konnten. 

Du hast deinen Mitgründer erwähnt, wie habt ihr euch als Team gefunden?

Ich kannte Jakob schon länger aus dem Bachelorstudium und einigen gemeinsamen Projekten. Als ich mich dann mit dem Thema Food Waste auseinandergesetzt habe, habe ich ziemlich vielen Leuten davon erzählt, so auch Jakob. Er war schnell genauso Feuer und Flamme wie ich und ist mit eingestiegen. Wir ergänzen uns von unserem Skillset sehr gut.

Welche Unterstützung aus dem Gründerland Bayern Netzwerk hattet ihr?

Wir haben sehr vom Start?Zuschuss! Förderprogramm profitiert. Es hat uns ermöglicht, aus eigenen Umsätzen Kunden zu gewinnen. Als es später an die Kapitalsuche ging, hat uns BayStartUP sehr weitergeholfen mit Coaching, Präsenz auf der Demo Night und der Vermittlung in ihr Investorennetzwerk, aus dem ein Teil unserer Investoren stammt, u.a. Bayern Kapital. Außerdem haben wir davon profitiert, zunächst im gate in Garching und jetzt im Digitalen Gründerzentrum WERK1 in München ansässig zu sein.

„Der größte Erfolg für mich ist, auf den Impact zurückzublicken.“

Steht ihr für eine neue Generation an Gründern, für die Impact im Vordergrund steht?

Impact und Gewinn schließen sich ja nicht aus. Es gibt sehr viele nachhaltige Use Cases – so auch den unseren – wo ein wirtschaftlicher Business Case dahintersteht. Insbesondere, wenn man als Start-up wachsen und für Finanzinvestoren interessant sein möchte, ist das Grundvoraussetzung. Natürlich liegt mir persönlich das Thema Nachhaltigkeit sehr am Herzen und hat mich nicht mehr losgelassen. 

Gibt es bereits ähnliche Lösungen am Markt und wie hebt ihr euch davon ab?

Um das Thema Food Waste vollumfassend zu lösen, braucht man einen ganzen Blumenstrauß an Maßnahmen. Es gibt zum Beispiel App-Lösungen wie „Too good to go“, um Abnehmer für Überproduktion an Lebensmitteln zu finden. Häufig sieht man intelligente Waagesysteme, die in der Hotellerie oder Gastronomie zum Einsatz kommen. Dort wird Waste gewogen, um ein Bewusstsein beim Personal zu schaffen, Maßnahmen zu finden, das Ganze zu reduzieren. Und es gibt Lösungen wie unsere, Lebensmittelabfälle gar nicht entstehen zu lassen. Wir setzen momentan an zwei Punkten an. Zum einen helfen wir unseren Kunden dabei, die Bestellungen zu optimieren. Das heißt Bestellungen zu prognostizieren mit einem Forecast von bis zu sechs Wochen. Unser neues Feature ist ein intelligenter Tagesplaner. Das hebt uns auch von anderen Lösungsansätzen ab. Damit prognostizieren wir den aktuellen Tag für die Produktionsplanung. Zum Beispiel wird in einer Bäckerei mithilfe eines Tablets eine Prognose angezeigt inklusive konkreter Backempfehlungen, bis wie viel Uhr sie wie viel Stück einer Ware produzieren sollen. In dieser Lösung sehen wir ein großes Potenzial und eine große Nachfrage am Markt. Delicious Data ist nicht mehr nur eine reine Forecasting-Lösung, sondern auch eine Lösung zur Optimierung der Produktions- und Arbeitsabläufe im Tagesgeschäft.

Was waren bisher eure wichtigsten Meilensteine?

Der wichtigste Meilenstein war der Proof of concept im Markt. Gemeinsam mit unseren Kunden haben wir 2020 den Bundespreis gegen Lebensmittelverschwendung gewonnen. Die eingesparte Menge an Food Waste zu honorieren und den neuwertigen Ansatz, den wir dafür gewählt haben, kamen gut an. Investoren zu überzeugen, uns nicht nur mit Kapital, sondern auch mit Know-how zu unterstützen, war auch ein wichtiger Punkt. 

Der größte Erfolg für mich ist, auf den Impact zurückzublicken. Seitdem wir das erste Mal live gegangen sind, haben wir über 820.000 Mahlzeiten eingespart. Was umgerechnet über 1.000 Tonnen CO2 sind. Das treibt uns täglich an, weiter Vollgas zu geben. 

„Ich rate allen Impact Start-ups: Findet eine Messgröße für den Impact, den ihr leistet.“

Und was war eure größte Herausforderung?

Die größte Herausforderung war sicherlich die Corona-Zeit. Viele unserer Kunden mussten über Nacht schließen und mehrere Monate geschlossen bleiben. Für uns als Unternehmen ist es herausfordernd, in dieser Zeit neue Kunden zu gewinnen. Das ist uns aber gelungen. Wir konnten starke neue Partner für uns gewinnen und gehen gestärkt aus dieser Krise hervor. 

Ihr habt kürzlich eure Series A-Runde abgeschlossen – wofür werdet ihr das frische Kapital einsetzen?

Food Waste ist global nach wie vor ein Problem. Ein Drittel aller Lebensmittel wird entsorgt. Mit dem Kapital möchten wir wachsen, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen und unsere Bereiche Tech und Business Development ausbauen. Mit unseren bewusst gewählten Partnern möchten wir operative Herausforderungen meisten, um klare Strukturen in den Unternehmen zu etablieren und Weichen zu stellen, für eine Organisation, die in den nächsten Jahren noch deutlich wachsen kann. 

Internationalisierung ist bei uns ebenfalls ein Thema. Wir führen bereits konkrete Gespräche mit Kunden außerhalb des deutschsprachigen Raums. Ziel ist es, mithilfe des Investments dort erste Kunden zu akquirieren und in den nächsten Jahren breiter zu internationalisieren. 

Haben es Social Entrepreneure heute leichter bei der Kapital- und Kundensuche als noch vor einigen Jahren? 

Sicherlich hat sich hier in den vergangenen zwei bis drei Jahren das Umfeld gewandelt und Social Entrepreneurship an Popularität gewonnen. Es gibt von Seiten der Politik als auch von großen Unternehmen starkes Interesse an nachhaltigen Geschäftsmodellen. Mittlerweile ist wohl endgültig überall angekommen, dass ein schonender Umgang mit Ressourcen Not tut, um z. B. die Klimaziele zu erreichen. Der Markt reagiert auf diese gestiegene Nachfrage und dementsprechend gibt es auch mehr und mehr Investoren, die in nachhaltige Geschäftsmodelle investieren.

Was war das wichtigstes Learning auf eurer bisherigen unternehmerischen Reise?

Wir haben anfangs den Fehler gemacht, unseren Impact nicht klar zu messen. Wir haben unsere Prognosen verfügbar gemacht, konnten aber nicht belegen, wie viel Food Waste dadurch eingespart werden konnte. Mittlerweile ist das transparent und lässt sich klar belegen. Das rate ich allen Impact Start-ups: Findet eine Messgröße für den Impact, den ihr leistet.