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“Hoimat: Tradition als Innovation”

Die Eschacher Gründer der Käserei Hoimat nutzen ihre ländliche Lage zu ihrem Vorteil. Denn ohne die Nähe zur Natur würde die Geschäftsidee nicht funktionieren.

Weichkäse nach Allgäuer Tradition: Das hat sich Hoimat auf ihre Fahne geschrieben. Das noch junge Unternehmen aus der kleinen Gemeinde Eschach will mit seiner Nähe zur Natur die Wurzeln der Allgäuer Käsekunst neu aufleben lassen. Um das möglich zu machen, werden die Gründenden  von Privatpersonen rund um ihren Standort unterstützt. Ihr Geschäftsmodell zielt nicht auf Wachstum ab, sondern auf Beständigkeit. Wir haben mit Lisa Gräsel, Mitbegründerin von Hoimat, darüber gesprochen, welche Relevanz Tradition heutzutage hat, wie sie sich im ländlichen Raum vernetzen und was genau eigentlich “käsen” ist.

Lisa, Hoimat gibt es erst seit 2022, die Gründungsmitglieder kennen sich aber schon etwas länger. Wie habt ihr zueinander gefunden?
Philipp, Sebastian und ich haben uns 2017 bei unserem vorherigen Arbeitgeber kennengelernt, einer Molkerei. Was anfangs noch ein kleines Unternehmen war, wuchs mit der Zeit und wurde so groß, dass viele der Aufgaben, die eigentlich Spaß gemacht haben, verloren gingen – besonders der Kontakt zu Kunden und Kollegen. Also entschieden wir uns, nicht zu jammern, sondern etwas Eigenes zu machen.

Und wie kam es dann zu Hoimat?

Durch unsere Erfahrung wussten wir, dass Leute oft keinen Bezug mehr zu ihren Produkten haben. Der Zusammenhang zwischen Rohstoff und Endprodukt und die damit einhergehende Wertschätzung fehlen. Unsere Käserei ist deswegen so aufgebaut, dass unsere Kundinnen und Kunden überall Einblicke erhalten können, auch in die Produktion. So bekommt man ein Gefühl für die Arbeit und das Handwerk, das dahintersteckt. Wir möchten auch, dass die Menschen, die kommen, unsere Produkte in unserem Café probieren und an unseren Genussabenden erleben können.

„Wir möchten etwas Wertvolles tun und uns verwirklichen, während wir etwas Schönes für andere schaffen.“

Mit diesem Konzept schafft ihr einen neuen Raum für Allgäuer Käsetradition. Warum ist Tradition heute noch relevant? 

Traditionen sind die Wurzeln, die man hat. Ob das ein Haus ist, oder eine Gemeinde, oder ein Dorf. In einer Bergregion ist alles etwas entschleunigt. Im Allgäu wird viel Wert auf Bräuche gelegt, die wiederum von der Natur bestimmt werden. Und die Natur ist es, die uns unsere Rohstoffe gibt – so auch Milch, und damit die Milchwirtschaft. Heute wird oft viel auf Masse produziert und der Boden ausgebeutet – wir möchten deswegen nur eine kleine Landwirtschaft betreiben, die dennoch im Einklang mit der Natur funktioniert. Das ist eine Sache der Tradition. Wenn wir immer größer werden wollen, immer mehr, dann geht die Tradition und der Ursprungsgedanke verloren. 

Ihr seid direkt mit dem Ansatz reingegangen, klein bleiben zu wollen. War es schwierig, andere Stakeholder von dieser Idee zu überzeugen? 

Das ist am Anfang auf Unverständnis gestoßen. Die Frage war immer, wo wir denn damit hinwollen. Ein Produkt aus einer Region ist begrenzt. Und das ist auch gut so, denn die Natur begrenzt es auf natürliche Weise. Aus der Menge, die uns zur Verfügung steht, wollen wir dennoch den perfekten Käse machen. Und wenn das Produkt ausverkauft ist – ist es ausverkauft. 

Damit ist euer Geschäftsmodell auch sehr nachhaltig. 

Genau. Wir möchten nicht innerhalb von zehn Jahren so viel Geld wie möglich machen, um dann als reiche Menschen hier rauszugehen. Wir möchten etwas Wertvolles tun und uns verwirklichen, während wir etwas Schönes für andere schaffen.

„Klassische Investoren haben wir gar keine.“

Damit war euer Geschäftsmodell für klassische Investierende eher uninteressant. Wie habt ihr euren Start finanziert?

Zum größten Teil hat uns die Bank finanziert. Crowdfunding hat uns geholfen, unseren Laden einzurichten und den Endkonsumenten auf uns aufmerksam zu machen. Wir haben auch Darlehensbausteine angeboten, mit denen Privatpersonen bei uns investieren konnten. Sie können nicht Teilhaber werden, aber bekommen ihr investiertes Geld als Wertgutscheine mit Zinsen zurück, circa 5-20 Prozent. Als wir am Anfang Baustellenführungen gemacht haben, konnten wir viele dafür interessieren. Klassische Investoren haben wir gar keine.

Würde Hoimat auch in einem Ballungsraum funktionieren? 

Es würde anders funktionieren. Hoimat ist von der Bergregion abhängig und könnte nicht in der Nürnberger Innenstadt stattfinden. Aber einen Ort zu schaffen, der aus der Gemeinschaft für die Gemeinschaft agiert, kann es in jeder Region geben. Für Hoimat ist Eschach allerdings einzigartig, da es uns ohne die Unterstützung der Eschacher nicht geben würde.

„An unseren ersten Genussabend werden wir uns noch in 20 Jahren erinnern.“

Gibt es in eurer Region eine Gründerkultur? 

In Kempten gibt es eine aktive Gründerszene, wo viel Neues entsteht. Dort werden unter dem Dachverband Allgäu Digital Gründungsworkshops gepflegt, in denen man sich zum Beispiel über Erfahrungen austauschen kann. Als regionales Nischenprodukt sind wir weder für kleine Käsereien Konkurrenz, da diese ihren Schwerpunkt auf andere Käsesorten legen, noch für große Molkereien, da diese ein ganz anderes Geschäftsmodell führen. So können wir auch offen mit anderen Käsereien reden, weil wir uns gegenseitig ergänzen. Dadurch entstehen Kontakte, Partnerschaften und Verkaufsstellen, die für uns sehr hilfreich und wertvoll sind.

Auch bei der Handelskammer haben wir uns von Beginn an über unsere Gründung, die Voraussetzungen, rechtliche Regelungen etc. informiert und haben mehrere Workshops besucht sowie das Vorgründungscoaching absolviert. Hier war der Gründer-Workshop und vor allem der persönliche Austausch mit unserem Ansprechpartner Herr Remmele sehr wichtig für uns.

Welchen Meilenstein habt ihr bisher am meisten gefeiert? 

Als wir mit den Renovierungsarbeiten angefangen hatten und den Stall ausgeräumt haben, der später das Herz von Hoimat werden sollte, haben wir gespürt, dass es richtig losgeht. Unser erster Genussabend hat dann auch dort stattgefunden – mit Familien, Freunden, Unterstützern. Daran werden wir uns noch in 20 Jahren erinnern. Am 1. April konnten wir dann das erste Mal “käsen”: unseren eigenen Käse herstellen.

© Hoimat
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